Teil 3 – Defensive Formationen
Parallel zu den offensiven Formationen des letzten Teils, folgen heute die Aufstellungen der Defensive. Diese wurden zwar schon in der ersten Ausgabe im Zusammenhang mit den defensiven Positionen angeschnitten, allerdings lohnt sich eine zusätzliche Wiederholung der Grundlagen und eine Vertiefung verschiedener Aspekte. Dieser Teil soll die oberflächlichen, optischen Aspekte auf dem Spielfeld abschließen, damit wir uns anschließend um die tiefergehende, mentale Ebene des Sports kümmern können.
Ähnlich wie bei den Offensiven Formationen gibt es auch in der Verteidigung unterschiedliches Personal, das an unterschiedlichen Positionen zum Einsatz kommen kann. Für die bestmögliche Übersichtlichkeit habe ich erneut einige Signalfarben etabliert, die in den folgenden Grafiken genutzt werden:

3-4 Formation
Die grundlegendste Unterscheidung in Defensiven Aufstellungen ist die Anzahl der Defensive Linemen und der Linebacker auf dem Feld. Stellt man beispielweise nur drei Spieler in die defensive Verteidigungslinie und setzte stattdessen auf vier Linebacker, spricht man von einem sogenannten 3-4 System. An dieser Aufstellung knüpfen sich die weiteren Aufgabenbereiche der einzelnen Spieler, was bereits im Zusammenhang mit den Positionen genau erklärt wurde.

Grundsätzlich zählt sie zur „base-defense“, da sie meist bei den ersten beiden Versuchen eingesetzt wird. Sie kann flexibel gegen den Lauf und das Passspiel arbeiten. Die Linemen haben dabei die wichtige Aufgabe so viele Blocker wie möglich zu binden, damit die Linebacker hinter ihnen möglichst problemlos den Läufer tackeln können oder sich auf die Deckung ihrer Gegenspieler konzentrieren können. Dabei bleiben dem defensiven Koordinator eine Vielzahl an Möglichkeiten, um die Offensive zu verwirren und besondere Kniffe wie einen Blitz oder QB-Spy einzustreuen. Die Aufstellung wird von vier Defensive Backs vervollständigt, die sich je nach Spielzug um den Defensive Kern herum positionieren.
4-3 Formation
Das Gegenstück zur 3-4 Formation ist das 4-3 System. Dabei wird die Anzahl der Linemen mit den Linebacker vertauscht. Sprich: Die D-Line besteht aus vier Spielern, hinter denen drei Linebacker stehen. Sie gehört ebenfalls zur „base defense“ und wird ebenfalls in aller Regel bei den „base downs“ (1st und 2nd down) eingesetzt.

Ein Team wählt normalerweise zu Beginn einer Saison eine der zwei grundlegenden Formationen aus, die am besten zu dem vorhandenen Spielermaterial und den Vorstellungen des Coaches passt. Es gibt auch einige Hybrid-Systeme, die ihre Verteidigung möglichst unberechenbar halten wollen. Dies ist jedoch eher selten der Fall. Im Gegensatz zum 3-4 System fällt hier der Pass-Rush eher ins Aufgabengebiet der Defensive Ends, allerdings sind auch Blitze von den Linebacker und der Cornerback als Überraschungselement möglich. In dieser Formation finden ebenfalls vier Defensive Backs außerhalb des Kerns ihren Platz.
Übrigens: Der hier als „defensive Kern“ bezeichnete Bereich wird im American Football offiziell als Box bezeichnet. Er umfasst das Gebiet im Zentrum des Spielfeldes. In dem Beispiel auf Bild II.1 wären also insgesamt sieben Spieler „in the box“ und vier „outside of the box“. Diese Zahl ist vor allem für den Playcall von Laufspielzügen und das Blocking-Schema wichtig.
Variationen der Base-Defense
Die beiden defensiven Schema haben sich aber auch erst in den letzten Jahrzehnten als die dominanten Grundverteidigungen herauskristallisiert. Diese Vorherrschaft hängt eng mit der offensiven Entwicklung des Passspiels zusammen, das in den letzten Jahrzehnten immer wichtiger wurde. In den frühen Jahren als das Laufspiel die Liga dominierte, waren auch fünf bis sechs Linemen in der Verteidigung alltäglich. Die 6-2 Defense (vgl. Bild III.1) setzte beispielsweise auf sechs Männer in der D-Line, zwei Linebacker und drei Defensive Backs. Insbesondere in den 1930er Jahren war diese Verteidigungsformation weitverbreitet und wurde dann in den 40er-Jahren durch die 5-2 und 5-3 Verteidigungen (vgl. Bild III.2+3) abgelöst. Diese Formationen und ihre Variationen haben im College noch ihre regelmäßigen Auftritte, da dort das Laufspiel noch deutlich verbreiteter ist. Ähnlich verhält es sich mit der 4-4 Defense (vgl. Bild III.4) an der High-School. Diese ist zwar bei schwachen Cornerbacks über den Pass anfällig, allerdings mit vier Linebackern und vier Linemen besonders stark im Stoppen des Laufs.
Aber auch in der NFL gibt es ein paar Variationen, die heute noch genutzt werden. So verschiebt man in der 4-3 over (vgl. Bild III.5) oder 4-3 under Defense (vgl. Bild III.6) entweder den Sam- oder Will-Linebacker auf die starke oder schwache Seite neben die D-Line. Dadurch erhöht die Verteidigung den Druck auf die jeweilige Seite der Offensive-Line und kann mit einem Blitz des Linebackers einen Sack forcieren. Einen Schritt weiter geht die 46 Defense (vgl. Bild III.7), die eine weitere Variante der 4-3 Defense ist. Hier verschieben sowhl der Sam als auch der Will auf die schwache Seite des Feldes, während der Strong Safety das Feld herunterkommt und die Rolle des Sam-Linebackers übernimmt.
Nickel and Dime – Formationen
Die meisten defensiven Variationen in der modernen NFL passieren jedoch nicht in der Box, sondern außerhalb statt. Da die Liga in den letzten Jahren besonders durch den Pass geprägt ist, finden zusätzliche Defensive Backs ihren Weg in die Formationen. Davon erhofft man sich eine bessere Verteidigung gegen den Pass. Daher kommen die zusätzlichen DBs meist bei 2nd und 3rd Downs aufs Feld, wenn die gegnerische Mannschaft noch so viele Yards zum neuen 1st Down fehlen, dass sie zum Pass gezwungen wird.
Stellt die Verteidigung einen zusätzlichen DB aufs Feld, spricht man von einem Nickelback. Dieser kann entweder auf Kosten eines Linebackers oder eines Linemen eingesetzt werden. Daraus ergeben sich dann verschiedene Aufstellungsmöglichkeiten: Bei der 4-2-5 Formation wird einer der Linebacker aus der 4-3 Verteidigung gegen den Nickelback eingetauscht (vgl. Bild IV.1). Alternativ kann auch ein Linemen aus der 4-3 Defense (oder ein Linebacker aus der 3-4 Formation) ausgetauscht werden, sodass Aufstellungen wie die 3-3-5 (vgl. Bild IV.2) oder 3-5-3 (vgl. Bild IV.3) entstehen können.
Fügt die Verteidigung noch einen sechsten Defensive Back in ihre Aufstellung ein, spricht man von einem Dimeback. Dieser kommt insbesondere dann zum Einsatz, wenn die Offensive sich mit vier Wide Receivern aufstellt und somit zusätzlicher Schutz gegen den Pass notwendig wird. Auch hier gibt es unterschiedlich Herangehensweisen aus den Grundformationen: Aus einem 4-3 entsteht dann meist ein 4-1-6 (vgl. Bild IV.4), während sich aus der 3-4 Formation eine 3-2-6 Defense (vgl. IV.5) formiert.
Goal-Line Defense
Neben verschiedenen Varianten der Base-Defense und einiger besonderer Verteidigungsmodelle gegen den Pass, gibt es noch zwei weitere spezielle defensive Formationen. Diese kommen nur in bestimmten Spielsituationen zum Einsatz, sind dann jedoch unverzichtbar. Die erste dieser besonderen Aufstellungen ist die Goal-Line Defense. Sie wird (wie der Name es schon vermuten lässt) an der eigenen Endzone genutzt, um einen nahezu unvermeidbaren Touchdown abzuwenden. Aber auch in Situationen, in denen das gegnerische Team nur wenige Yards für einen neuen Versuch braucht und offensichtlich einen Laufspielzug laufen werden, lohnt sich eine Variante der Goal-Line Defense.
Der große Nachteil der Formation ist allerdings der mangelhafte Schutz gegen den Pass, weswegen unerwartete, kurze Pässe in diesen Situationen ein probates Mittel gegen diese Formation sein können. Die genaue Positionierung der Spieler orientiert sich an der Formation der Offensive, weswegen ich in der folgenden Diashow zwei unterschiedliche Goal-Line Aufstellungen zeigen möchte, die auf verschiedene Herangehensweisen des Angriffs reagieren.
Generell stellen sich in der Goal-Line Defense mehr Linemen als üblich an der Line-of-Scrimmage auf. Außerdem fällt die Position des Free-Safety weg, da Feld nach hinten zu eng wird. Lediglich der Strong-Safety wird in manchen Formationen genutzt (vgl. Bild V.1). Stellt die Offensive ein paar Receiver auf, damit sie schwerer auszurechnen ist, muss die Verteidigung reagieren. Dann kommen auch ein bis zwei Cornerbacks zum Abdecken der Receiver zum Einsatz (vgl. Bild V.2).
Prevent-Defense
Die zweite besondere Verteidigungsformation ist die sogenannte Prevent-Defense. Diese kommt in Situationen zum Einsatz, wenn die Verteidigung einen tiefen Pass mit allen Mitteln verhindern möchte. Vor allem gegen die sogenannte Hail Mary kann diese Formation mit sieben DBs und nur einem Linebacker brillieren. Sie ist das letzte gewählte Mittel, um bei weniger Sekunden auf der Uhr noch einen verzweifelten Versuch für einen Touchdown aus großer Distanz zu verhindern. Ansonsten findet diese Formation kaum Verwendung.

… auch super interessant und toll geschrieben. Habs so gut in deutscher Sprache noch nicht gefunden. Danke dafür !!!
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